CD |

J.S.Bach - The Cello Suites

In den zwanziger Jahren schrieb Stefan Zweig seine "Sternstunden der Menschheit"; nur eine einzige davon ist musikalischer Natur. Ihr Protagonist: der Komponist Georg Friedrich Händel. Was manchen Musikliebhaber die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lässt: gute Güte, da kommt doch wohl nur ein Werk in Frage: Johann Sebastian Bachs Cello-Suiten! Wer solchermaßen aufstöhnt, verkennt, dass damals so gut wie kein lebender Mensch diese Suiten im Konzert hören konnte. Irgendwann fand der Cellist Pablo Casals dann die vergessenen Bach-Noten im Antiquariat, spielte sie auf Platte ein. Und heute gelten sie als das Opus aller Opera; logisch, dass die Cellisten des Erdballs an den Suiten hängen, zu den Suiten drängen. Sie sind tägliches Übe- und Konzertfutter geworden; an ihren Einspielungen misst man den Künstler.

Die Suiten tragen ja auch eine Riesenherausforderung mit sich: niemand weiß genau, wie sie wirklich zu spielen sind. Vor gut dreihundert Jahren schrieb Bach sie in Köthen; das Manuskript jedoch ist - wie auch eine wichtige Reinschrift von seiner Hand - verschollen. So liegen uns heute nur Abschriften, Kopien der Suiten vor, und die unterscheiden sich ärgerlicherweise in wichtigen Details. 

Der Cellist Jan Vogler hielt sich da bisher wie viele seiner Kollegen streng an eine Kopie von der Hand Anna Magdalena Bachs; seine Einspielungen der ersten und dritten Suite verrieten das an einigen Stellen. Seit Jahren spielt Vogler denselben Satz als Zugabe seiner Konzerte, er scheint nach einer idealen, allgültigen Lesart zu suchen. Auf seiner neuen CD hält sich der Musiker mit Vibrato immer noch spürbar zurück, übt aber keine völlige Abstinenz mehr wie noch vor zwei Jahren, als er zwei der Suiten auf einem anderen Cello eingespielt hat. Aber er agiert nun freier, macht sich den Notenkosmos wirklich zu eigen. Der Cellist lässt die Musik schlicht und nobel fließen, das Stradivari-Instrument brummt und singt. Und es ist trotzdem immer eine große Hochachtung zu spüren: das hier, atmen einige Passagen, ist der heilige Gral!

(Martin Morgenstern, »Sächsische Zeitung«)

SONY Music 88697892572

Werbung