Allgemein |

»Wo müssen die Container hin? Zack!«

Am Wochenende findet das 1. Landesmusikfest Sachsen statt. Gelingt das Experiment, wollen die Organisatoren über eine Fortsetzung nachdenken. Ob die dann jährlich, biennal oder alle drei Jahre stattfindet, durch verschiedene sächsische Städte tourt oder auf absehbare Zeit in Grimma residiert, ist offen. Anhören gehen lohnt sich in jedem Fall, denn: „Grimma ist zurück!“

Ziemlich genau ein Jahr Vorbereitung hatte dieses Landesmusikfest, von den ersten Finanzierungsüberlegungen, den ersten Schrittchen in Marketing und Organisation über die Bewerbungen der ersten Musiker bis zu spontanen Lösungen, die die Organisatoren wohl noch während des laufenden Festes werden finden müssen. Aber das traut man den Machern in Grimma zu. Der Oberbürgermeister Matthias Berger ist bekannt dafür, auf Sieg zu gehen. Letztes Wochenende fehlten ihm zwölf Wählerstimmen, ansonsten hätte er das Bürgermeisteramt mit 90% Zustimmung verteidigt (die beiden Gegenkandidaten von CDU und SPD erreichten sieben bzw. vier Prozent).

Das Landesmusikfest, sagt Berger, soll ein deutliches Zeichen nach Sachen und darüber hinaus senden: „Grimma ist zurück!“ Nach den zwei Jahrhundertfluten, die die Innenstadt 2002 und 2013 verwüsteten, haben die Einwohner nicht resigniert. Siebenhundert Häuser hatte „dieses Scheißhochwasser“ (Zitat Berger) zerstört; „und heute? Ist ein noch ein einziges Haus in unserer Innenstadt unsaniert!“ In der Tat: die Gastgeberstadt hat sich herausgeputzt und erwartet in den nächsten Tagen dreitausend Musiker und hoffentlich noch viel mehr Gäste.

Musikhistorisch hat Grimma aus verschiedenen Jahrhunderten einiges auf dem Zettel: der Liederdichter Paul Gerhardt (1607-1676) besuchte hier die Fürstenschule St. Augustin. Im Archiv der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden schlummert die einzigartige Musikaliensammlung der Schule, die unter anderem Musikhandschriften der Grimmaer Kantoren und Komponisten Johann Gottfried Reichard und Heinrich Ludwig Hartmann umfasst. Carmen Nebel wurde hier geboren, und aktuell begeistert das Jugendblasorchester Grimma seine Zuhörer unter anderem mit einem eigenen Musikantentreffen, das – wie auch das Crossover Festival – dieses Jahr im Rahmen des Landesmusikfestes als zweites »German Open« stattfindet. Da versteht sich Grimma durchaus als Vorreiter für die größeren Metropolen: „Wir hatten in Grimma schon die Kultur- und Sportförderklassen, als man in Berlin noch gar nicht wusste, was Ganztagsschulen sind“, tönt es stolz aus dem Rathaus. 

Indes kann nicht alles gelingen. Die »Liederflut«, ein städtisches Weltmusik-Festival, das Grimma nach der ersten Flut etablierte, musste nach einigen Jahren wieder eingeschläfert werden. „Hier haben wir einen Fehler gemacht“, gibt Berger zu. „Die Idee war zwar gut, in Erinnerung an das Hochwasser ein solches Festival zu entwickeln. Aber wir haben eine Agentur damit beauftragt, die zu wenig Bezug zur Stadt hatte. Die Leute vor Ort wurden zu wenig einbezogen. Die haben zum Beispiel nicht verstanden: wenn man hochwertige Kultur bieten möchte, kommt man an bestimmten Ausgaben nicht vorbei. Alles musste kostenlos sein, und das haben sie nicht verstanden. Dieses Mal haben wir eine andere Herangehensweise und hoffen, dass sich das Landesmusikfest nun besser etabliert.“

Nicht zuletzt gibt es ja auch positive Erfahrungen aus der »Liederflut«, auf die das neue Musikfest nun aufbauen kann. „So ein Festival lebt vom Kleinteiligen, Individuellen“, sagt der alte und neue Bürgermeister. „Wir haben in Grimma die passende Infrastruktur, vom feinsten! Jetzt brauchen wir belebende Elemente für unsere Stadt. Das Landesmusikfest könnte die Initialzündung sein.“

Und die lässt sich Grimma etwas kosten. Eine Viertelmillion Sponsoren- und Fördermittel fließt in das dreitätige Fest; 80.000 Euro davon gibt die Stadt dazu. Kurze Genehmigungswege im Rathaus und Bergers Entscheidungsfreudigkeit („Unsere Stadtratssitzungen dauern meist eine Stunde. Kein hin und her, bei uns wird nicht gesabbelt. Frage: wo müssen die Container hin? Zack, entscheiden, fertig.“) tun das übrige, damit die dreitausend eingeladenen Laienmusiker ihre Bühnen und ihre Zuhörer finden. Ob das Fest nun zu einer Tradition wird („Ob wir es wieder machen? Halte ich nicht für ausgeschlossen! Das erste Mal ist doch das schlimmste… Dann flutscht es…“), entscheiden – Sie!

Martin Morgenstern

»Sachsens Kirchen-Galerie. Die Inspectionen: Leipzig und Grimma« (Dresden, Verlag Hermann Schmidt, 1844)
Foto: http://bit.ly/1dAtIqh

<link http: www.landesmusikfest-grimma.de>1. Landesmusikfest Grimma
Schirmherr: Ministerpräsident Stanislaw Tillich

12.-14. Juni 2015 in Grimma
Eintritt frei (bis auf einige Ausnahmen wie die Eröffnungsgala)

Highlights der 14 Spielstätten:

Freitag, 12. Juni 2015
Eröffnungsgala mit der Sächsischen Bläserphilharmonie und dem Max-Klinger-Chor / Konzert der Brass Band Sachsen / Deutschrock-Abend auf dem Markt

Samstag, 13. Juni 2015
Konzert der Jungen Bläserphilharmonie / Gerhard Schöne / Modest Mussorgskis »Bilder einer Ausstellung« mit dem Leipziger Symphonieorchester und Stern Combo Meißen

Sonntag, 14. Juni 2015
Konzert des Landesjugendchors / Showkonzert der Big Band der Bundeswehr

 

<link http: nbn-resolving.de urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-24844>Katalog der Musikhandschriften der Fürstenschule Grimma

<link http: www.stadt-grimma.de stadt_historisches_persoenlichkeiten>Historische Persönlichkeiten in Grimma

<link http: www.grimma.de buerger_info_news c2g_newsitem>Crossover Festival

<link http: www.bdmv-online.de events>2. „German Open“ Brass Band Wettbewerb

Werbung