Interview |

Traumjob Staatskapelle

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Akademiestelle, die du dir mit gerade mal 21 Jahren erspielt hast!

Dankeschön, ich habe es noch nicht ganz realisiert.

Was bedeutet »Akademiestelle«?

Eine Orchesterakademie ist mit einem freiwilligen Betriebspraktikum bzw. dem praktischen Teil in einem dualen Studium vergleichbar. Man wird durch andere Orchestermitglieder betreut, kommt zusätzlichen Unterricht und spielt Dienste, also Proben und Aufführungen.

Wie ist denn das Probespiel abgelaufen?

Es waren noch 14 andere Bewerber/-innen eingeladen. Man kommt, testet den Raum und dann geht es los. In der ersten Runde im Orchesterprobensaal haben wir hinter dem Vorhang gespielt. Fünf Musiker/-innen sind in die zweite Runde gekommen. Da war der Vorhang offen, die Fagottisten aus der Staatskapelle und ein Mitglied des Akademievorstands haben zugehört. Hier wurden einige Probespielstellen verlangt. Nach der Beratung kam das Ergebnis. Ich war mega happy.

Warst du sehr aufgeregt?

In diesem Fall war ich im positiven Sinne aufgeregt, weil ich bereits Akademistin an der Robert-Schumann Philharmonie in Chemnitz war, das hat mir Sicherheit gegeben. Hinter dem Vorhang zu spielen war sogar angenehm, da ich das Gefühl hatte, nur für mich und die Pianistin zu musizieren.

Das klingt jetzt sehr abgebrüht. Kann man Probespiele nur ohne Aufregung gewinnen?

Tatsächlich habe ich immer mit Lampenfieber zu tun. Einerseits braucht man das Adrenalin, um die Leistung zu steigern, anderseits schränkt eine zu große Aufregung das Spielvermögen ein. Die Kunst ist der Umgang damit, ich versuche förderliche Aspekte zu nutzen, das Beste aus der Situation zu machen.

Ich habe mich mit Mentaltraining beschäftigt, Literatur dazu gelesen. Man kann da viel aus dem Sport lernen. Ein Tennisprofi hat zu dem Thema ein Buch geschrieben, das dann auf den Bereich Musik übertragen wurde. Ich kann mich gut auf mich konzentrieren und den Rest ausblenden. Das ist sehr wichtig. Auch das tägliche Üben ist ein Thema für sich. Ich übe zwei bis vier Stunden täglich, manchmal auch mehr. Als Musiker/-in strebt man die Perfektion an, ist selten mit dem Ergebnis zufrieden. Da fließt auch mal die eine oder andere Träne.

Musik und Leistungssport liegen nah beieinander, man fängt schon in früher Jugend an.

Wie bist du zum Fagott gekommen?

Schon im Kindergarten war ich fasziniert vom Fagott, meine Patenschwester hatte eines. Ich musste aber mit Blockflöte anfangen, was mir nie gefallen hat. Mit fünf Jahren durfte ich endlich zum Fagottino, einem Kinderfagott, wechseln. Ich komme aus Leipzig und hatte an der Musikschule »Johann Sebastian Bach« mit Edgar Weicht einen tollen Lehrer, überhaupt eine super Ausbildung. Über den Wettbewerb »Jugend musiziert« und das Landesjugendorchester Sachsen hatte ich den ersten Kontakt zum Sächsischen Musikrat.

Du hast bei uns in der Geschäftsstelle ein Jahr lang Bundesfreiwilligendienst geleistet. Was hat dir das gebracht?

Während der Schule war ich Jungstudentin in Frankfurt/Main und Rostock bei David Petersen, hatte mit 17 das Abitur und wollte mich auf das Musikstudium vorbereiten, das ich dann 2019 an der Hochschule für Musik in Dresden bei Prof. Philipp Zeller begonnen habe.

Dieses praktische Jahr bei euch hat mir viel gebracht. Ich bin selbstsicherer geworden, habe gelernt mich zu strukturieren, effektiv zu arbeiten, meine Grenzen zu kennen. Ich bin als Persönlichkeit gereift. Vor allem die Selbstorganisation ist auch im Studium wichtig. Außerdem habe ich mit Menschen aller Altersgruppen gearbeitet, dabei lernt man viel. Bei Orchesterprojekten weiß ich, was die Organisation alles leisten muss und kann das schätzen. Was ich allerdings auch weiß, dass mir die Begleitseminare wenig gebracht haben. Ich habe nicht gerne Ölbilder gemalt oder das Feedback vom Feedback gegeben.

Beim Landeswettbewerb »Jugend musiziert« warst du als Teilnehmerin, später als Betreuerin dabei …

Ich muss sagen, dass mir die Erfahrung als Teilnehmerin bei meiner Entwicklung zur Musikerin geholfen hat. Wenn man von klein auf daran gewöhnt ist, vor Publikum aufzutreten, sich mit andern zu messen, hat man bereits Erfahrung mit dem Lampenfieber gesammelt. Für das Studium bereite ich über einen langen Zeitraum ein Stück vor und muss zu einem bestimmten Zeitpunkt abliefern. Das war bei Jumu auch so. Mein Lehrer war positiv fordernd, hat gut motiviert und meine Mutter hat mir nie Druck gemacht. Das waren gute Basics. Während meines Bundesfreiwilligendienstes war ich als Betreuerin dabei, habe den Wettbewerb von einer anderen Seite erlebt.

Die Semperoper kennst du auch aus anderer Perspektive?

Allerdings. Seit ich für meinen Freiwilligendienst nach Dresden gezogen bin, haben mich die Aufführungen der Semperoper fasziniert. Als ich während des Studiums von der Möglichkeit gehört hatte, dort zu jobben, habe ich mich sofort beworben und die Stelle bekommen. Ich habe als »Vorderhauspersonal« gearbeitet, also an der Garderobe Mäntel abgenommen, Eintrittskarten kontrolliert und Programmhefte verkauft. Das hat viel Spaß gemacht. Manchmal habe ich auf die Bühne geschaut und gedacht, wäre schon cool dort mitzuspielen. Dass dieser Traum so schnell wahr wird, damit habe ich nicht gerechnet.

Was erlebt man den da so beim Mäntel entgegennehmen?

Die Leute vergessen viel, nicht nur Schirme und Jacken, sondern auch Kreditkarten und Schuhe. Beim Thema Schuhe fällt mir ein, dass einmal ein Besucher zwar in Fliege, Hemd und schicker Hose kam, aber keine Schuhe trug. Er war barfuß. Obwohl er Karten fürs Parkett hatte, durfte er nicht in den großen Saal, sondern musste in den 4. Rang auf Stehplätze ausweichen. Ich hatte dort Dienst und sollte darauf achten, dass er sich nicht hinsetzt. Es war eine spannende Zeit, aber auf das, was jetzt kommt freue ich mich umso mehr.

Liebe Hannah, dir weiterhin alles Gute und vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christina Schimmer, Sächsischer Musikrat e.V.

 

 

Hannah-Katharina Philipp | Foto © Angelika Luft

Werbung