Mit einer Uraufführung verlässt das Landesjugendorchester Sachsen im Oktober die ausgetretenen Musikpfade. Die Dichterin Nora Gomringer und die Komponistin Iris ter Schiphorst sind eingeladen, mit den Orchestermusikern über die Reichspogromnacht zu improvisieren. So soll ein literarischer Abend mit Musik und Improvisation zwischen Dichterin, Sängerin und Mitgliedern des Orchesters entstehen. Mit Iris der Schiphorst haben wir kurz über die Zusammenarbeit, über das Komponieren und das Leben gesprochen...
Iris ter Schiphorst, wann und warum fingen Sie an zu komponieren?
Ich saß in einem Film von Rainer Werner Fassbinder mit Musik von Peer Raben; ich muss ungefähr 24 Jahre alt gewesen sein. Da kam mir das erste Mal in meinem Leben der Gedanke, wie großartig es sein müsste, zu solch aufregenden Filmen Musik zu komponieren. Bis dahin hatte ich nie ernsthaft darüber nachgedacht. Ich hatte ja eine pianistische Ausbildung erhalten, aber während meines Studiums bin ich nie auf den Gedanken gekommen, mein Respekt vor den alten Meistern war zu groß... Meine ersten Stücke und Arrangements habe ich später für Bands geschrieben, in denen ich spielte.
Wie haben Nora Gomringer und Sie zusammengefunden, und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?
Ich bin auf Gedichte von Nora Gomringer vor etwa anderthalb Jahren gestoßen, bei Recherchen zu einem Lied-Projekt. Sie gefielen mir sehr gut, aber ich konnte mir nicht vorstellen, sie in ein 'Kunstlied' zu zwängen. Als mich Milko Kersten fragte, ob ich mir ein Projekt mit ihr vorstellen konnte, war ich sogleich begeistert, unter der Bedingung, kein 'Kunst-Lied' schreiben zu müssen! Die Begeisterung wuchs an, als ich Nora Gomringer persönlich kennenlernte. Sie ist unglaublich offen und hat mir erlaubt, ganz meinen Vorstellungen entsprechend mit ihren Texten umzugehen.
Wie leiten Sie Ihre Kompositionsschüler an, ihre Kreativität, ihre Inspiration einzusetzen?
Ich versuche, sie für alles Klingende zu begeistern und zu sensibilisieren. Eine solche Begeisterung scheint mir die wichtigste Grundlage für die kreative Arbeit mit Klang zu sein.
Inwieweit kommt denn eine Kompositionen aus Ihnen, durch Sie hindurch, von Ihnen weg? Meine Kompositionen haben immer etwas mit dem zu tun, was mich immens umtreibt. Das sind oft musikfremde Themen, die aber in mir einen klanglichen Ausdruck suchen.
Inwieweit ist dabei Ihre Persönlichkeit wichtig, als Katalysator oder als Generator?
Das Spannende an Kunst ist ja, dass sie - ob wir wollen oder nicht - immer etwas über uns selbst sagt, auch wenn wir - zum Beispiel mit Hilfe des Zufalls oder Formeln - versuchen, unsere Neigungen, unsere Persönlichkeit möglichst außen vor zu lassen. Das kann man alles hören! Insofern ist immer die Persönlichkeit, beziehungsweise das komponierende Ich involviert; ob man will oder nicht. Ich selber muss meine eigene Wahrnehmung von Welt mit einarbeiten, ich kann es nicht anders.
Wie viele Komponisten können eigentlich in Deutschland vom Komponieren hauptberuflich gut leben?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich es nicht weiß. Die meisten 'angesagten' Komponisten lehren ja auch, zumeist als Professoren, damit sind natürlich die finanziellen Probleme vom Tisch.
Gehören Sie dazu?
Ich habe in meinem Leben auf viele verschiedene Weisen mein Geld verdient, hatte aber das Glück, ab irgendeinem Zeitpunkt meiner Karriere vom Komponieren mal mehr mal weniger gut leben zu können. An das finanzielle Auf und Ab habe ich mich gewöhnt, allerdings hat es offenbar auf meinen Sohn nachhaltigen Einfluss gehabt. Seine Berufswahl stand eine ganze Weile ganz im Zeichen 'sicheres Einkommen'.
Welcher künstlerische Wunsch ist bei Ihnen bisher offengeblieben?
Ich träume von einem Forschungsprojekt mit Künstlern verschiedener Sparten ohne Zeit- und ohne Gelddruck, mit viel viel Probezeit, und mit der Möglichkeit, in Ruhe Neues ausprobieren zu können...
Wenn es keine Stipendien, keine Mäzene, keine Auftraggeber gäbe und Sie keine finanziellen Sorgen hätten – was würden Sie im Leben anders machen? Wahrscheinlich würde ich genau das gleiche machen! Vielen Dank für das Gespräch.