Interview |

Ins Gespräch kommen – vernetzen – sichtbar machen

Katja Mangold ist seit gut einem Jahr die Landeskoordinatorin für musikalische Bildung in Sachsen. Christina Schimmer hat sie zum Gespräch getroffen.


Wie geht es dir nach einem Jahr »im Amt«?

Zu allererst möchte ich mich beim Team des Sächsischen Musikrates bedanken, das mich mit offenen Armen empfangen hat und mich in meiner täglichen Arbeit unterstützt, wo es nur kann. Das ist eine beglückende Erfahrung, ein großartiges Geschenk – vielen herzlichen Dank!

Nach einem reichlichen Jahr verstehe ich immer besser, wie verschiedene Institutionen und Organisationen »ticken«: Welche Regeln und Kommunikationsformen gelten in Verbänden und Vereinen? Wie funktionieren Ministerien, welche quasi »ungeschriebenen« Gesetze gelten, die ich aber unbedingt kennen sollte? Wie wird in Hochschulen, Musikschulen, Schulen kommuniziert? Auf welche Weise erreiche ich Politiker/-innen?

Außerdem fühle ich mich immer noch wie eine Forscherin, die täglich Neues entdeckt. Es gibt unzählige tolle Projekte und Initiativen, auch Best Practice Beispiele jenseits der großen Öffentlichkeit, in denen seit vielen Jahren, z.T. Jahrzehnten eine hervorragende Arbeit geleistet wird. Ich knüpfe täglich neue Kontakte, lerne Menschen kennen, die zu Mitstreiter/-innen werden, auch über die Landesgrenzen hinaus. Das erweitert natürlich meinen Handlungsradius und mein Blickfeld ungemein. Es ist ein tolles Gefühl, an einer Stelle angekommen zu sein, an der sich wirklich etwas bewegen lässt!

Was macht eine Landesmusikkoordinatorin, worin siehst du dein Aufgabenfeld?

Zu allererst sehe ich meine Aufgabe darin herauszufinden, was es in Sachsen braucht, damit musikalische Bildung nachhaltig gelingt. Das bedeutet zum einen den Zugang für alle Altersgruppen zu ermöglichen und Durchlässigkeit zwischen unterschiedlichen Institutionen zu fördern. Es geht darum, Synergien herzustellen: Was gibt es wo? Wie können vorhandene Ressourcen gemeinsam genutzt bzw. auch für andere verfügbar gemacht werden?

Ein großer Teil meiner Arbeit besteht darin, Akteure miteinander ins Gespräch bringen, zu vernetzen, aber auch die Projekte und Initiativen sichtbar zu machen und zu informieren, das »Kerngeschäft« einer Koordinatorin sozusagen 😉. Ich sehe mich darüber hinaus als Ansprechpartnerin für Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung. Hier gilt es, Konzepte zu entwerfen und zu kommunizieren, die die musikalische Bildungslandschaft in Sachsen voranbringen. Dabei ist sowohl die Breiten- als auch die Spitzenausbildung immer im Blick zu behalten, denn beides bedingt einander.

Ab Januar 2026 wird ja nun die sächsische Variante eines Musikmentor/-innenprogramms, die Ausbildung zum »Jugend-Musik-Coach« starten. Warum gerade jetzt?

Zu Beginn meiner Tätigkeit als Landeskoordinatorin startete im Oktober 2024 gleich der erste Fachtag Musikpädagogik unter dem Motto »Chancen und Herausforderungen eines Traumberufes!?«, bei dem das gesamte System musikalischer Bildung in Sachsen im Zentrum stand. Was läuft gut? Was läuft nicht so gut? Das waren die Fragen, die institutionsübergreifend analysiert und diskutiert wurden. Bei der zweiten Frage haben wir uns damit befasst, was kurz-, mittel- und langfristig geändert werden kann. Handlungsoptionen wurden festgelegt. Das wichtigste Ergebnis dieses Fachtages – darin waren sich alle Beteiligten einig – war der klar definierte Auftrag, auch in Sachsen ein sogenanntes Musikmentoren-Programm zu etablieren, um junge ambitionierte Menschen für Musikpädagogik zu begeistern. Beim zweiten Fachtag Musikpädagogik 2025 wurde das Programm mit den Akteur/-innen der musikalischen Bildung (Hochschulen, Musikschulen, Schulen, Amateurmusikverbänden, Kirchenmusik) finalisiert, ein sogenannter »Letter of Intent« von allen unterzeichnet und im Oktober Kultusminister Clemens übergeben. Und nun geht’s los.

Bist du schon »sichtbar« geworden mit deiner Arbeit?

Ich denke schon: zum einen ist die Website der Landeskoordinierungsstelle LKS Musikalische Bildung Sachsen seit August online. Hier findet sich beispielweise eine umfangreiche Darstellung des Netzwerkes aller an der musikalischen Bildung in Sachsen beteiligten Akteur/-innen. Diese Seite soll von den Besuchenden als Informationsplattform genutzt werden. Sie dient dem Sichtbarmachen vorhandener Ressourcen sowie der weiteren Vernetzung einzelner Akteur/-innen. Zum anderen haben die beiden Fachtage Musikpädagogik 2024 an der HfM in Dresden und 2025 an der HMT Leipzig dazu beigetragen, dass ich im regen Austausch mit den Beteiligten war und bin.

Die Konzeption sowie der Start des Jugend-Musik-Coach-Programms und die damit verbundenen zahlreichen Gespräche und Präsentationen (persönlich oder auch online), darüber hinaus die Arbeit in den institutionsübergreifenden Gremien (Fachbeirat, Steuerungsgruppe Musikalische Bildung in Sachsen, Arbeitsgruppe »Jugend-Musik-Coach«) sorgen zusätzlich für Sichtbarkeit. Im Fachbeirat der Landeskoordinierungsstelle stehen mir neben Vertreter/-innen der Akteur/-innen musikalischer Bildung in Sachsen auch Vertreter/-innen aus der Politik, dem Kultusministerium (SMK) und aus dem Sächsischen Staatsministerium für Kultur und Tourismus (SMKT) beratend zur Seite. Damit stelle ich Transparenz und direktes Feedback für meine Arbeit sicher.

Spürst du von außen eine Erwartungshaltung und wenn ja, wie gehst du damit um?

Die größte Erwartungshaltung spüre ich seitens der Politik und der Ministerien, hier werden »abrechenbare« Ergebnisse in Zeiten hohen Finanzdrucks erwartet. Dafür ist es wichtig, den Arbeitsstand beispielsweise des Programms »Jugend-Musik-Coach« oder auch vom Projekt »Musikbegeisterte Grundschule« gut zu kommunizieren. Es geht hier vor allem um langfristige, nachhaltige Programme und nicht um Strohfeuer. Dazu bedarf es des breiten Konsenses aller Beteiligten, der durch die Arbeitsgruppen sichergestellt ist, aber das wiederum braucht natürlich Zeit.

Du bist »von Hause aus« Gitarristin und hast als Musikpädagogin am HSKD unterrichtet. Inwiefern hilft dir die Arbeit als Musikpädagogin bei deiner jetzigen Stelle?

Ich bin seit 1996 am Heinrich-Schütz-Konservatorium tätig, zunächst als Gitarrenlehrerin, habe ab 1998 Elementare Musikpädagogik (Eltern-Kind-Gruppen, Musikalische Früherziehung, Orientierungsstufe) unterrichtet, später kam noch das Fach Mandoline dazu. Ich habe das Erwachsenen-Ensemble Saitenweise gegründet, das inzwischen sein 28jähriges Bestehen gefeiert hat. Ebenso wurde das Kinderorchester b.i.o.nachwuchs mit Gitarren- und Mandolinenspieler/-innen im Alter von 7–13 Jahren im Jahr 2007 von mir (wieder) ins Leben gerufen, welches ich übrigens immer noch leite, denn Lehrkräfte mit Orchestererfahrung, die beide Instrumente beherrschen, sind nicht so leicht zu finden.

Du hast die verschiedensten Altersgruppen unterrichtet …

Und genau diese Erfahrung im Unterricht mit den verschiedenen Altersgruppen und Leistungsstufen hilft mir sehr bei meinem jetzigen Wirken. Beispielsweise habe ich durch die Arbeit im Elementarbereich eine Vorstellung, was gute musikalische Bildung ausmacht und was auch in Kindertagesstätten notwendig ist, um Vorschulkinder musikalisch optimal zu fördern – Stichwort: Erzieher/-innen-Ausbildung.

Neben all den unterschiedlichen Schüler/-innen unterrichtete ich viele Kammermusik-Ensembles (Gitarrenduos -trio, -quartette, auch Bundinstrumentenquartette). Einige Schüler/-innen und Ensembles haben es bis in den Bundeswettbewerb geschafft. Die Spitzenförderung ist mir also auch sehr vertraut. Da auch Orchester an Musikschulen oft in Verbänden, z.B. als kooperatives Mitglied, organisiert sind, ist mir die Verbandsarbeit im Bund Deutscher Zupfmusiker (ich war auch kurz im Bundesmusikbeirat tätig) nicht unbekannt. Aktuell planen wir gemeinsam mit anderen Sächsischen Zupforchestern die Teilnahme am Eurofestival der Zupfmusik in Bruchsal 2026. Das b.i.o. nachwuchs ist nach einer erfolgreichen Teilnahme 2018 wieder angefragt, ein Kinderkonzert zu gestalten. Dem kommen wir natürlich gern nach: gemeinsam mit der Tanzabteilung des Konservatoriums und der Komponistin Annette Schneider haben wir »Pinocchio« entwickelt, ein Stück, in dem Kinder für andere Kinder musizieren und tanzen.

Bist du es gewohnt, große Gruppen zu managen?

Ja, für meine Arbeit hilft mir die Erfahrung im Umgang mit großen Kindergruppen sehr. Ich weiß, was alles dazugehört, um ein Projekt oder auch ein Probenwochenende durchzuführen und wie Schulkinder zu motivieren sind. Für angehende Jugend-Musik-Coaches hätte ich also selbst schon einen ganz konkreten »Einsatzort«: sie könnten sofort in den wöchentlichen Proben die Anfänger/-innen unterstützen oder auch im Probenlager als fachlich qualifizierte Begleitpersonen mitfahren. Nicht zuletzt habe ich einige Erfahrungen in der »Studienvorbereitenden Ausbildung« gesammelt bzw. sogar zu Beginn meiner Berufstätigkeit im damals noch vorhandenen Ausbildungsprofil »Instrumental- und Gesangslehrer im Nebenberuf« einige Studenten unterrichtet. In diesen Unterrichtsstunden spielten regelmäßig die Beschäftigung mit Studienzugangsvoraussetzungen, vor allem zum Musikpädagogik-Studium eine Rolle. Im Bereich der Bundinstrumente gibt es ja in unserem Land keine Berufsorchester, so dass das Berufsziel Orchestermusiker entfällt.

Hand aufs Herz: Kannst du jungen Menschen guten Gewissens zu einem Studium der Musikpädagogik raten?

Natürlich habe ich mir oft die Frage gestellt, ob ich meinen Schüler/-innen guten Gewissens zum Musikpädagogik-Studium raten kann, obwohl es natürlich der schönste Beruf der Welt ist 😉. Der Berufsalltag einer Musikschullehrkraft ist sehr befriedigend, aber auch sehr fordernd und anspruchsvoll. Bis vor kurzem waren viele Musikpädagog/-innen unfreiwillig als Honorarlehrkräfte an Musikschulen – oft prekär – beschäftigt. Das hat sich nun glücklicherweise aufgrund der aktuellen Rechtsprechung mit dem sogenannten Herrenberg-Urteil geändert.

Weil du selbst als Musikpädagogin arbeitest, kennst du die Sorgen und Nöte der Szene

Diese Erfahrung und die Kenntnis der Zusammenhänge hilft mir natürlich auch beim (musik-) politischen Anteil meiner Stelle, nämlich bei der Argumentation mit Politiker/-innen, warum beispielsweise Kommunen ausreichend mit Geldern der Landes- und Bundesebene ausgestattet sein müssen, um Musikschulen bei der Umsetzung der Konsequenzen aus dem Urteil (Stichwort Umwandlung von Honorarstellen in Festanstellung) nicht allein zu lassen. Und nicht zuletzt haben mich die Erfahrungen in meiner neunjährigen Tätigkeit als Betriebs- bzw. Personalrätin dazu gebracht, mir tiefergehende Gedanken zu machen, wie musikalische Bildung gelingen kann, ohne dabei auf Kosten der Akteur/-innen zu gehen. Es braucht die Beschäftigung mit dem kompletten System musikalischer Bildung, die alle umfasst, um langfristig und nachhaltig Bedingungen so zu verändern, dass allen ein Zugang zu musikalischer Bildung nach den jeweiligen Fähigkeiten gewährt wird. Es gilt also Strukturen zu schaffen, die einen individuellen und durchlässigen musikalischen Bildungsweg ermöglichen.

Was liegt dir besonders am Herzen?

Mir liegt besonders am Herzen, dass jeder, der möchte, Zugang zu musikalischer Bildung hat, denn das Musizieren mit anderen, das Kommunizieren ohne Worte, das »In-Kontakt-Treten« mit anderen ist die schönste Sache der Welt. Weiterhin ist für mich das »über-den-Tellerrand-Schauen« wichtig: Lösungen ohne Denkverbote entwickeln im Dienste der Sache und nicht zuletzt faire Arbeitsbedingungen für alle, die in der musikalischen Bildung tätig sind. 

Was war bisher dein schönstes Erlebnis?

Es ist gar nicht so leicht, nur ein konkretes Erlebnis zu benennen: Die Zusage, dass ich diese Stelle bekommen habe und ein Espresso, der mir von einer lieben Kollegin im Büro an meinen Schreibtisch gebracht wurde. Ich war als Musikpädagogin eher Einzelkämpferin gewesen, daher ist die Teamerfahrung jetzt besonders schön. Und natürlich freue ich mich immer dann ganz besonders, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kontexten ihre Mitarbeit in den verschiedenen Gremien zusagen und ich spüre, dass es viele Verbündete gibt.

Du bist auch noch Buchautorin und geschäftsführendes Vorstandmitglied einer Stiftung. Was machst du da genau?

Ich habe bis 2023 Kommunikationspsychologie studiert und mich in meiner Masterarbeit dem Thema »Psychische Belastungen am Arbeitsplatz von Musikschullehrkräften« gewidmet. In diesem Bereich gibt es noch keine standardisierten Fragebögen, um diese Belastungen zu erfassen. Das wollte ich ändern. Ich habe meine Masterarbeit veröffentlicht, um eine Arbeitsgrundlage den Musikschulen, die sich an das Thema heranwagen wollen, zur Verfügung zu stellen und natürlich auch, um meinen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppe zu leisten. Nach dem erfolgreichen Workshop zum Musikschulkongress im Mai 2025 in Dresden erhalte ich immer wieder Einladungen zu weiteren Workshops, so z.B. nach Aschaffenburg und Berlin. Das freut mich natürlich sehr, denn ich möchte ja auch hier gern etwas voranbringen.

Als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der HuManS Stiftung, einer Förderstiftung, sorge ich dafür, dass die Fördergelder den Stiftungszwecken Hilfe zum Leben, Kunst und Kultur sowie Dialog und Toleranz zu Gute kommen. Neben zahlreichen nationalen und internationalen Hilfsprojekten (es sind über 20) liegt uns im Moment der Stiftungszweck Dialog und Toleranz sehr am Herzen. Viele Projekte zahlen natürlich auf mehrere Stiftungszwecke ein: Die Förderung von Kunst und Kultur, hier speziell das Amateurmusizieren, bei dem die unterschiedlichsten Menschen miteinander in Kontakt kommen, stärken genauso ein gelingendes Miteinander innerhalb der Gesellschaft, wie explizit demokratiefördernde Initiativen. Einen großen Raum nimmt immer noch die Unterstützung und Hilfe für Notleidende und Kriegsverletzte in der Ukraine ein, aber darauf werden wir noch an anderer Stelle intensiv eingehen.

Besonders freut es mich, wenn die Verknüpfung meiner verschiedenen Tätigkeiten gelingt, wie z. B. beim Deutsch-Ukrainischen Jugendbegegnungsprojekt im Oktober, dessen Höhepunkt ein gemeinsames Benefizkonzert in der Kreuzkirche Dresden war. Zu Gast beim Dresdner Jugendsinfonieorchester am HSKD war ein Banduraorchester aus der Brody, deren Mitglieder zwischen 12 und 16 Jahren alt sind. Die Jugendlichen haben in deutschen Gastfamilien gewohnt und durften vier Tage in Frieden die Stadt genießen und gemeinsam musizieren. Unfassbar, unter welchen Bedingungen die Jugendlichen sich auf diese Reise vorbereitet haben. Man muss sich vorstellen: alle Väter sind im Krieg, die täglichen Proben wurden regelmäßig vom Bombenalarm unterbrochen. Für die Jugendlichen war es ein absolutes Highlight, in Dresden zu Gast zu sein. Freundschaften zwischen deutschen und ukrainischen Jugendlichen sind entstanden und die Ukrainer brennen darauf, uns ihre Stadt zu zeigen, wenn der Krieg endlich vorbei ist. Die HuManS Stiftung war Hauptsponsor der Begegnung. Eingeladen hatte des HSKD und im Konzert musizierte eine kleine Violinistin, die 2022 über das damalige Programm des Sächsischen Musikrates (kostenloser Unterricht für Geflüchtete) an das Konservatorium gekommen ist.

Hast du noch Zeit, selbst Musik zu machen?

Also vielleicht eher: Ich nehme sie mir 😉 … Das Musizieren ist für mich quasi ein wichtiges Lebenselixier und Projekte, bei denen ich selbst Gitarre oder Mandoline spielen kann, beflügeln und inspirieren mich sehr. Ich leite das Gitarrenquartett Affinities und musiziere in unterschiedlichen Besetzungen mit Gitarre, Violine, Mandoline und Gesang. Besonders freue ich mich auf mehrere Konzerte im Advent mit »meinem« Tenor Torsten Schäpan. Außerdem werfen die Wiederaufnahmen von Don Giovanni und Die kahle Sängerin im nächsten Jahr an der Semperoper ihre Schatten voraus.

Da sieht man dich musizierend auf der Bühne. Ich wünsche dir weiterhin viel Freude und Erfolg bei deiner Arbeit!

Katja Mangold
Foto: © Adrian Walter

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