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»Ich empfehle, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu kommen«

Dass das kleine Dörfchen Graupa, am Rand der Sächsischen Schweiz zwischen Pirna und Dresden, ein Ort ist, an dem es sich gut sein lässt, hatte schon vor 170 Jahren Richard Wagner, weiland Königlich-Sächsischer Kapellmeister, erfahren und verbrachte auf dem dortigen Schäferschen Gut die Sommermonate in kreativer Muße mit der Komposition seines „Lohengrins“. Für die Wagner-Freunde um 1900 Grund genug, besagtes Gutshaus in ein „Lohengrin-Haus“ umzuwandeln und darin ein Wagner-Museum einzurichten. Nach der umfangreichen Erweiterung um das Graupaer Jagdschloss seit dem Jahr 2005 und der Neueinweihung des Ensembles im Jahr 2013 sind der Richard-Wagner-Stätten nun ganz neu aufgestellt. Aron Koban sprach mit Christian Schmidt-Doll, seit September 2014 Geschäftsführer der Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna (KTP) und damit auch der Richard-Wagner-Stätten, über den Stand, die Wahrnehmung und künftige Projekte, und nebenbei natürlich über die reizvolle Idyllik der Umgebung von Graupa.

Herr Schmidt-Doll, was haben Sie 2014 in Graupa vorgefunden?

2014 hatten die Richard Wagner Stätten gerade ein unglaubliches Eröffnungsjahr hinter sich. 2013 sind sie in ihrer jetzigen Form, erweitert um das Jagdschloss mit den neuen Ausstellungsräumen, dem Konzertsaal, und dem angrenzenden Park, neu eröffnet worden. Außerdem ist in ganz Sachsen das Jahr 2013 zum „Wagner-Jahr“ ausgerufen worden. Und wenn dann Bayreuth selbst noch eine Baustelle ist... Das hat uns alles viel Neugier beschert und zu einem sehr erfolgreichen Start geführt. 2014 war dann das Jahr einer Normalisierung, in dem sich der Betrieb, aber auch die öffentliche Wahrnehmung auf ein „normales“ Niveau eingepegelt haben.

Die Richard-Wagner-Stätten in Graupa und weitere wichtige Einrichtungen der Stadt Pirna werden von einer GmbH verwaltet, der Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna (KTP). Ist das ein ausgelagertes, privatisiertes Kulturamt?

Die Stadt Pirna ist wie ein Konzern aufgestellt, die städtischen Töchter, also die Stadtwerke und Energieversorger, Wohnungsgesellschaft, Stadtentwicklung und die KTP sind unter einer Holding vereint. Die KTP ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt und besteht heute aus fünf Geschäftsbereichen: die Stadtbibliothek, das Stadtmuseum, der Veranstaltungsbereich, der die Herder-Halle in Pirna-Copitz bespielt, aber auch für die Open-Air-Veranstaltungen zuständig ist, der Touristservice und die Richard-Wagner-Stätten. Das Stadtmuseum und die Wagner-Stätten haben museale Aufgaben, die Wagner-Stätten aber zusätzlich noch einen markanten Veranstaltungsteil.

Ist eine GmbH nicht in größeren wirtschaftlichen Zwängen als z.B. ein städtischer Träger? Wirkt sich das auf die unterstellten Institutionen aus?

Es gibt eine finanzielle Verantwortung der Stadt, die diese als Gesellschafter wahrnimmt.  Andererseits kann eine GmbH eine größere wirtschaftliche Dynamik entwickeln, als das einer Verwaltung möglich oder überhaupt gestattet ist. Ein Nebeneffekt der Privatisierung ist freilich auch, dass Ausgaben nicht unbedingt mit jeder Tariferhöhung mitwachsen. Aber eine rein ökonomische Gewinnermittlung kann bei der KTP nicht das oberste Ziel sein.

In der vielgliedrigen Struktur der KTP liegt auch ein besonderes Potential für die Wagner-Stätten: Wir haben bspw. zwei Museen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Das Stadtmuseum Pirna hat einen hervorragenden pädagogischen Bereich. Der Vorteil einer GmbH liegt darin, dass man diese Bereiche unbürokratisch und effektiv miteinander in Vernetzung bringen und über den eigenen Touristservice vermarkten kann – ein großes Synergie-Potential!

Wie sind die Wagner-Stätten in Graupa jetzt aufgestellt?

Wir werden oft „Wagner-Museum“ genannt, der museale Teil ist aber nur ein Teil des Ganzen. Kern des Museums ist die Sammlung von Gaßmeyer im „Lohengrin-Haus“, das 2013 um das Jagdschloss erweitert wurde, das im unteren Geschoss eine vielseitige, multimediale Ausstellung zum Thema „Richard Wagner“ beherbergt, und im Obergeschoss einen Konzertsaal mit angrenzenden Räumen. Zusammen mit der Remise, die für Kinder- und jugendpädagogische Projekte genutzt wird, bis hin zur Tenne, die beide einen wunderschönen Innenhof umschließen, haben wir hier ein traumhaftes Gesamtgebilde. Ebenfalls haben wir hier eine sehr ausgesuchte Bibliothek und Mediathek. Von einem schottischen Wagner-Fan haben wir z.B. eine sehr wertvolle Schellack- und Schallplatten-Sammlung geschenkt bekommen, weil er weiß, dass sie bei uns gut aufgehoben, gut präsentiert und zugänglich gemacht ist. Eine Kostprobe davon können Sie zur Dresdner Museumsnacht am 11. Juli bekommen: da werden diese Platten im Jagdsaal gespielt. 

Wie sieht der Konzert- und Spielbetrieb aus? Ist Wagner Pflicht?

Momentan kommen wir im Jahr auf über 30 Konzerte in unterschiedlichen Formaten. Natürlich spielt Wagner dabei programmatisch eine große Rolle, aber nicht ausschließlich, es kann auch einmal etwas ganz anderes sein. Mit den Konzerten wollen wir in einem weiteren Sinn zusätzliche Aufmerksamkeit für das Thema „Richard Wagner“ und die Richard-Wagner-Stätten erzeugen.

Was für Formate sind das?

Ein wichtiger Teil der Programme sind Klavierabende. Auf diesem Gebiet haben wir schon eine Reihe mit Preisträgern des ARD-Wettbewerbs initiiert. Ragna Schirmer hat sie eröffnet, mit Bachs „Goldberg-Variationen“, also wirklich nichts „Wagnerisches“. Aber das Konzert war ein großer Erfolg und hat uns nebenbei viel Interesse für das Haus beschert. Es ist vor allem ein junges Podium, dem wir eine Öffentlichkeit geben wollen. Bei den ARD-Preisträgern sind wir in Kooperation mit dem Piano-Forte-Fest Meißen, und in dieser Kooperation kommen junge, international agierende Künstler zu uns.

Daneben ist der Liedgesang eine weitere wichtige Linie. Vor kurzem hatten wir ein sehr interessantes und kurzweiliges Matinee-Programm mit Studierenden der Dresdner Hochschule für Musik, der Inszenierungsklasse von Annette Jahns. Das ist ein wunderbares Format, und ich denke, dass wir gemeinsam mit der Musikhochschule dieses Podium institutionalisieren sollten. 

Ein Kernpunkt des Konzertgeschehens ist sicherlich die „Wagneriade“, eine komprimierte Woche um den Wagner-Geburtstag am 22. Mai herum. In diesem Jahr war es die zweite, wir wollen sie für die Zukunft beibehalten. 

Was hat es damit auf sich?

Das ist ein dichter Reigen von unterschiedlichen Veranstaltungen, die alle versuchen, Wagner auf ungewohnten Wegen näherzukommen. In diesem Jahr haben wir die „Wagneriade“ z.B. mit dem Stummfilm „Richard Wagner“ von Carl Froelich aus dem Jahr 1913 eröffnet, mit musikalischer Begleitung. Das wendet sich zum einen an einen Wagner-Fan und -Kenner, zugleich aber auch an jemanden, der Freude an Stummfilmen hat. Und einen Stummfilm von 1913 sieht man nicht allzu oft. Dann hatten wir mit dem „Roten Sofa“ ein Gesprächsformat, zu dem wir Dr. Gottfried Wagner einladen konnten, den streitbaren Musikhistoriker und Urenkel von Richard Wagner, der heute in Italien lebt und der bekanntlich mit Bayreuth „im Clinch liegt“… 

Liegen Sie mit Bayreuth auch im Clinch?

Nein, überhaupt nicht. aber wir sind nicht Bayreuth, wir sind Pirna und im Kulturkanon Dresdens, und wir haben die Freiheit, das auf eigenen Weise auszugestalten. 

Seit drei Jahren gibt es auch die Richard-Wagner-Spiele im Schlossinnenhof. Das Schloss selber ist dort Kulisse, die mit einem musikalischen Schauspiel bespielt wird, mit Schauspielern, aber auch viele Laien sind als Statisten, als Chorist usw. eingebunden. 

Was würden Sie als die strategische Schwerpunkte im Spielbetrieb ansehen?

Der internationale Leuchtturm muss bleiben, sowohl was Museum und Ausstellung, als auch was die Konzerte anbelangt. Es muss aber auch die Öffnung hin zu Leuten geben, die bisher mit Wagner noch nichts zu tun hatten. Daher hatten wir auch eine Doppelveranstaltung, die sich an Kinder von fünf bis sechs Jahren, und damit an Familien richtet: „Wagner für Kinder: Lohengrin“.

Wo sehen Sie Möglichkeiten, das Thema „Richard Wagner“, das als etwas recht spezielles wahrgenommen wird, gerade für Kinder zu erschließen?

Ein erster Zugang auch für kleinere Kinder kann über den Sagenschatz der Wagnerschen Opern hergestellt werden. Wir haben mit großem Erfolg versucht, Kindern die mittelalterliche Sage von Lohengrin, dem Schwanenritter, nahezubringen und auf diesem Wege auch an die der Musik und an die Oper heranzuführen. Und es kamen beinahe ausschließlich junge Familien mit ihren Kindern! Auf diesem Gebiet werden wir weitere Projekte auf den Weg bringen.

Ein anderer Ansatzpunkt für die pädagogische Vermittlung liegt in der Verbindung von Wagner und Film. In unserer multimedialen Ausstellung gibt es einen ganzen Raum, wo der Bezug von Wagnerscher Musik zum Film dargestellt wird. Es gibt eine große umfangreiche unbewusste Wagner-Rezeption: Wagners dramaturgischen Prinzipien und seine szenische Auffassung von Musik sind im Film allgegenwärtig. Es ist doch erstaunlich, dass nahezu jeder Jugendliche, der „Harry Potter“, den „Herrn der Ringe“ oder „Starwars“ gesehen hat, eigentlich auch Musik Wagnerschen Zuschnitts erlebt hat, ohne das zu wissen. Das bewusster zu machen, erschließt den jugendlichen Menschen auch den Reichtum, der darin steckt, aber auch die Komplexität und das Widersprüchliche. Das ist uns ein Anliegen, die unbewusste Wagner-Aufnahme, die es ganz breit gibt, an die Oberfläche zu holen. Dazu wird es Veranstaltungen und auch eine Projektlinie geben, die das verdeutlicht.

Sind die Wagner-Stätten mit der Erweiterung um das Schloss Ihrer Ansicht nach finanziell ausreichend gut ausgestattet? Oder müssen Sie sich dreimal überlegen, was Sie mit dem Geld machen?

Die Entscheidung, das Jagdschloss den Wagner-Stätten zuzuschlagen und zu dem Ausstellungsbereich und Konzertsaal umzubauen, war eine mutige und kluge, aber auch eine vieldiskutierte Entscheidung. Es ist klar, dass ein in der Sanierung und Rekonstruktion so aufwendiges Unterfangen auch ein bestimmtes Format vorgibt, und dass eine solche Stätte dann im Betrieb auch Geld kostet. Selbstverständlich schauen wir sehr genau, dass wir effizient arbeiten, aber mancher Traum ist auch nur mit einem deutlichen Mehr an Geld umzusetzen. Grundsätzlich sind die Wagner-Stätten erstmal gut aufgestellt und vernünftig ausgestattet.

Wer kommt eigentlich nach Graupa? Sind das internationale Wagner-Fans? Oder Sommerfrischler aus Pirna oder Dresden? 

Natürlich kommen internationale Wagner-Fans und -Freunde, für die wir gewiss eine Adresse sind. Aber auch die Pirnaer wissen, was sie am Jagdschloss, an der Ausstellung und den Konzerten haben. Uns erreichen aber auch Zufallsgäste, die dann ganz erstaunt sind, was für einen wunderbaren Ort, was für eine wunderbare Ausstellung sie hier finden.

Graupa liegt alles andere als zentral. Finden die Leute das? Sind Sie mit der Verkehrsanbindung zufrieden? 

Graupa gehört seit etwas über zehn Jahren zu Pirna, im allgemeinen Befinden wird es jedoch dem Dresdner Kulturgeschehen zugefühlt. Die Buslinie 63 führt von Dresden-Löbtau quer durch Dresden und endet in Graupa. Und eine weitere Linie führt vom Pirnaer Sonnenstein quer durch Pirna ebenfalls bis Graupa. Das ist eigentlich eine sehr schöne Situation, wenn von diesen beiden Städten her Graupa der Zielpunkt ist. Trotzdem: es ist ein Aufwand, von Dresden nach Graupa zu kommen. Umgekehrt heißt das, wer nach Graupa kommt, der weiß, warum er das tut und dass es etwas Besonderes ist. Touristisch betrachtet ist vollkommen klar, dass bei internationalem Besuch Wagner und die Semperoper das erste Begriffspaar sind. Aber wenn es um den zweiten Dresden-Besuch geht, wird auch die Umgebung interessant, und in diesem Zusammenhang hat Graupa ein großes Potential. 

In dieser Verbindung von Wagner und Landschaft?

Ja. Oper – Wagner –Romantik- Landschaft. 

Was für Routen und Wege gibt es da?

Ich kann nur empfehlen, mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu kommen, etwa von Pillnitz durch die Weinberge. Oder auch aus Richtung Sächsischer Schweiz…durch den vielbesprochenen Liebethaler Grund, wo das weltgrößte Wagner-Denkmal steht. Wer dann in Graupa ankommt, findet eine sehr schöne dörfliche Situation vor, und dann eben dieses wunderbare, renovierte Schloss, mit dem sehr schönen Schlosspark daneben. 

Wo liegen Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aufgaben für die nächste Zeit?

Die Hauptaufgabe für die nächste Zeit ist der weitere Aufbau von Präsenz, nicht nur aus marketing-strategischen Gründen, sondern auch um bei verschiedenen Themendiskussionen präsent zu sein. Meiner Meinung nach braucht es zwei Voraussetzungen: Zum einen muss man den Anspruch haben, international ein Leuchtturm zu sein. Aber das ist selbstverständlich und was man von einer Wagner-Stätte erwartet. 

Zum anderen muss man auch in die Region und in den Kulturraum einwachsen. Und „Kulturraum“ heißt für mich hier auch das Elbsandsteingebirge und Děčín. Was ich auf jeden Fall möchte, ist, die Wagner-Stätten für Kinder, Jugendliche und Familien zu öffnen, verschiedene Ansatz- und Zugangspunkte zu finden und in Projekten zu transportieren. Die Wagner-Stätten sollen als ein pulsierender, lebendiger, gesuchter Ort wahrgenommen werden, der „Wagnerianer“ im engeren Sinne, aber auch der breitesten Bevölkerungsschichten und verschiedener Generationen. Man soll spüren wie „Wagner“ lebt.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Museumsnacht 11. Juli 2015: <link http: museumsnacht.dresden.de msn2015 museen richard-wagner-staetten.php external-link-new-window external link in new>»Das klingende Schloss«

 

18.00 – 1.00 Uhr

Richard Wagner in der multimedialen Ausstellung 

Freier Rundgang

 

18.00 – 22.00 Uhr

Bastel- und Spielangebote für Kinder

 

18.30/21.00/22.00

Führung durch die Ausstellung im Jagdschloss Graupa 

maximal 30 Personen

 

19.00 – 19.45

Konzert der Musikschule Sächsische Schweiz e. V. 

Im Saal des Jagdschlosses, 200 Personen.

 

20.30

Große Wagnerstimmen der Vergangenheit 

vorgestellt von Dr. Christian Mühne. Musikalisch unterlegt mit historischen Aufnahmen, unter anderem aus der Sammlung Ernest Johnson (Schottland), 200 Personen, Dauer 45 min.

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