Das Image der Mandoline ist im Wandel, findet Prof. Caterina Lichtenberg, die weltweit einzige Professorin für klassische Mandoline, im Interview mit Christina Schimmer
Die Mandoline ist das Instrument des Jahres 2023.
Das freut mich natürlich sehr und ist Balsam für das oft belächelte oder Instrument.
Ja, zärtlich ist man nicht mit ihr umgegangen.
Sie wurde sogar als »wimmernder Kürbis« oder »bespannte Erbse«, betitelt. Mein Vater hat sich als Zupfer bezeichnet: »Ich zupfe nämlich Unkraut im Garten.« Das ist alles wenig schmeichelhaft.
Nicht gerade ein Ansporn sie zu erlernen …?
Mein Bruder hat klassisch Klavier gespielt. Ich habe im Alter von sechs Jahren mal eine Solo Mandoline gehört, fand das Instrument so schön auch exotisch. Das Instrument ist kleiner als eine Gitarre, handlich, man kann sie überall mit hinnehmen, es gibt für jeden Geschmack den passenden Typ Instrument und ist einfach wunderschön.
Sie haben weltweit die einzige Professur für Mandoline inne und lehren an der Musikhochschule Köln. Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Alltag?
Ich schlafe wenig (lacht). Meine Mandolinenklasse an der Hochschule ist voll, die Nachfrage groß. Ich habe Schüler/-innen aus Asien, Südamerika, Europa und den USA. Der Frauenanteil bei den Student/-innen ist in Deutschland übrigens sehr hoch, während in Italien, Israel und den USA die Männer das Instrument dominieren. Ich selbst bin mit Solokonzerten unterwegs, trete mit meinem Partner Mike Marshall und kammermusikalisch auf. Und das Üben sollte man auch nicht vernachlässigen …
Was ist denn so spannend an der Mandoline?
Es sind die Brüche, der Kulturwandel. Ursprünglich stammt die Mandoline aus dem italienischen Raum und hatte Ihre Blüte in der Zeit des Barock. Sie wurde trimulierend gespielt – mit einer Feder. Mitte des 18 Jahrhunderts war sie das Instrument des Adels. Berühmter Persönlichkeiten der damaligen Zeit spielten Mandoline. Schulwerke und Kompositionen waren dem französischen Adel gewidmet. Die Barockmandoline war eine kleinere Sopranlaute, eine Königin der Instrumente, dann kam die Französische Revolution und damit der Kulturschock. Alles, was mit dem Adel zu tun hatte, war out. Das Image der Mandoline wandelte sich Ende des 19. Jahrhunderts zur Geige des kleinen Mannes. Ihre Anschaffung war erschwinglich.
Man kann also sagen, dass sie durch die Jahrhunderte von allen Bevölkerungsschichten gespielt wurde?
Ja, zunächst war ihr Spiel dem Adel und berühmten Persönlichkeiten vorbehalten, nach der französischen Revolution stand es allen offen, das Instrument zu erlernen. Das ist dann rege genutzt worden. In der Wandervogelbewegung verkörperte ihr Klang einen Hauch von Freiheit, bekannt sind auch Mandolinenorchester aus Städten, in denen es Bergbau gab. Aber auch in der ehemaligen DDR gab es Mandolinenorchester und eine rege Mandolinenszene. Ich bin ja in Magdeburg aufgewachsen und kenne auch die Unterschiede in der Technik sehr gut, das hat sich aber nach 30 Jahren angeglichen.
Das Interessante an der Mandoline ist auch ihre Vielseitigkeit in den Musikstilen …
In Brasilien gibt es den Choro, melanchonische Weisen mit hohem Tempo und Samba typischer Phrasierung, häufig mit Flöte, Klarinette und eben Mandoline. Das Instrument ist in Japan beliebt, aber besonders in den USA in der Country-, besser gesagt der Bluegrass Musik. Toll sind auch ihre unterschiedlichen Formen, sie können so verschieden aussehen. In den USA wird meine Mandoline oft für ein Banjo gehalten. Bekannt ist sie aber nicht nur aus der Zeit des Barock, sondern auch aus der Klassik. Berühmt ist das Ständchen in Don Giovanni, ansonsten wurde aber immer gesagt, dass das Instrument für großes Orchester zu leise ist, eher etwa für Kammerbesetzungen. Ihre Rolle in der Klassik ist die einer Orchidee. Deshalb ist dieses Jahr so wichtig, um Pionierarbeit zu leisten, dem Instrument Gehör verschaffen.