Musik in Sachsen veröffentlicht hier vorab die Stellungnahme von Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, geladen als Sachverständiger im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Bildungs- und des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages zum Thema »Kulturelle Bildung« am 11. Mai 2016
Kulturelle Bildung: ein Lebensthema
Kulturelle Bildung ist ein Lebensthema. Beginnend mit der frühkindlichen Bildung in den Familien und Kindertagesstätten über Schulen, außerschulischen Angeboten, der Erwachsenenbildung, Angeboten von Kultureinrichtungen bis hin zur Seniorenbildung kann es für kulturelle Bildung weder zu früh noch zu spät sein. Kinder und Jugendliche erfahren mittels kultureller Bildung Zugänge zu Welt. Dabei geht es um Schlüsselkompetenzen wie Lese-, Bild- und Medienkompetenzen, um das Kennenlernen des kulturellen Erbes und der zeitgenössischen Künste, um die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft mittels der Künste, um Ausprobieren und den eigenen Ausdruck zu finden. Hier gilt es darum, allen Kindern und Jugendlichen Zugang zu Angeboten der kulturellen Bildung zu ermöglichen. Das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ zeigt, dass es gelingt, starke Bündnisse für kulturelle Bildung zu etablieren, die sich gerade auch an Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Schichten richten. Kulturelle Bildung ist aber nicht auf Kinder und Jugendliche zu begrenzen. Kulturelle Erwachsenenbildung ist von großer Bedeutung. Viele Menschen entdecken erst als Erwachsene den Zugang zu Kunst und Kultur oder lassen sich erneut nach einer gewissen Zeit der Abstinenz erneut für kulturelle Bildung begeistern. Nicht zuletzt mit Blick auf den demografischen Wandel gilt es, die Zielgruppe von Erwachsenen stärker in den Blick zu nehmen. Kulturelle Bildung für und mit Erwachsenen verlangt andere Methoden als die Arbeit mit Erwachsenen. Dieses Thema sollte stärker in den Blick genommen werden. Unter den Erwachsenen sind eine besondere Gruppe die Seniorinnen und Senioren. Sie verfügen oft über Zeit und geistiges Potenzial, um sich in der kulturellen Bildung zu engagieren. Sei es als aktiv Teilnehmende aber auch in der kulturellen Vermittlungsarbeit. Verschiedene Maßnahmen wie z.B. die generationsübergreifenden Freiwilligendienste setzen am Zusammenwirken von Menschen unterschiedlicher Generationen an. Diese Ansätze gilt es weiterzuentwickeln.
Kulturelle Bildung: viele Orte vielfältige Möglichkeiten
Kulturelle Bildung findet in der Familie, in Kindertageseinrichtungen, Schulen, außerschulischen Bildungseinrichtungen, Kultureinrichtungen, Kirchen, Vereinen, Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren usw. statt. Neben den Einrichtungen und Institutionen, die ohnehin auftragsgemäß in der kulturellen Bildung tätig sind, gibt es eine Reihe von Akteuren, die nicht unter der Überschrift „kulturelle Bildung“ firmieren aber doch wichtige Aufgaben übernehmen. Besonders offenkundig ist dies im ländlichen Raum. Hier sind vielfach die Sportvereine, die Kirchen und andere Orte der kulturellen Bildung. Die unterschiedlichen Orte bieten vielfältige Möglichkeiten. Diese Vielfalt gilt es wertzuschätzen und insbesondere das bürgerschaftliche Engagement anzuerkennen. Dieses bürgerschaftliche Engagement bedarf der Unterstützung und Begleitung durch hauptamtliche Strukturen. Kultureinrichtungen sind teilweise ohnehin gemäß ihrem eigenen Selbstverständnis nach im Bereich der kulturellen Bildung aktiv, zu denken ist etwa an Bibliotheken und Museen, andere widmen sich verstärkt diesem Thema. Diese Angebote reichen von Publikumseinführungen vor Theater- und Konzertveranstaltungen, Publikumsdiskussionen bis hin zu speziellen Bildungsangeboten. Kulturelle Bildung ist teilweise aufsuchende Arbeit z.B. für Menschen in Krankenhäusern oder auch Gefängnissen. Kulturelle Bildung kann hier Lebensmut spenden, Zeit vertreiben und auch zur Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenssituation einladen.
Kulturelle Bildung: für alle Menschen
Kulturelle Bildung soll allen Menschen offenstehen. Fragen der Inklusion und Integration spielen in der kulturellen Bildungsdebatte eine wichtige Rolle. Insbesondere in der aktuellen Diskussion um die Integration Geflüchteter wird der kulturellen Bildung große Bedeutung beigemessen. Es geht hier darum, die lange Zeit des Wartens in Flüchtlingseinrichtungen zu füllen, es geht um das Kennenlernen des neuen Landes, seiner Kultur und Werte. Es geht um die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse. Positiv ist, dass das Bundesprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ für die neue Aufgabe der Kulturarbeit mit Geflüchteten geöffnet wurde.
Kulturelle Bildung: selber machen und genießen
Kulturelle Bildung heißt zum einen selbst aktiv zu werden, also zu malen, zu zeichnen, zu musizieren, zu tanzen, Theater zu spielen und vieles andere mehr. Kulturelle Bildung kann aber auch Rezeption bedeuten, bei der der Genuss nicht zu kurz kommen darf. Neben allen Bildungsaspekten der kulturellen Bildung kann kulturelle Bildung auch heißen, sich an der Schönheit von Kunst zu erfreuen.
Kulturelle Bildung: Vorbereitung auf den Beruf
In verschiedenen künstlerischen Feldern beginnt die Vorbereitung auf den Beruf bereits im Kindesalter. Zu nennen ist etwa der Tanz oder auch in Teilbereichen die Musik. Die weitaus überwiegende Zahl der Musikerinnen und Musiker zumindest in der Ernsten Musik hat bereits im Kindesalter begonnen, das Instrument zu erlernen und eine frühe Förderung erfahren. Diese Förderung gilt dem künstlerischen Nachwuchs von morgen und ist ebenso eine Investition in die Zukunft wie die Förderung besonders begabter Kinder und Jugendlichen in den Sprachen oder Naturwissenschaften.
Kulturelle Bildung: Vermittlung kann nicht jeder
Vermittlung Kultureller Bildung ist (auch) ein Beruf. Neben der großen Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements in der kulturellen Bildung ist kulturelle Bildung ein Beruf. Für die Vermittlung kultureller Bildung werden entsprechende Qualifikationen benötigt. Das beginnt bei Methoden und Vermittlungsformen und endet bei Qualifikationen für spezielle Zielgruppen. Sowohl haupt- als auch ehrenamtlich Aktive gilt es fortlaufend zu schulen und neue Berufsprofile zu entwickeln.
Kulturelle Bildung: Nicht nebenbei zu machen
Kulturelle Bildung bedarf der entsprechenden Ressourcen. Dazu gehört qualifiziertes Personal ebenso wie geeignete Räume oder auch die sachliche Ausstattung. Kulturelle Bildung insbesondere in Kultureinrichtungen ist keine Aufgabe, die „nebenbei“ mitgemacht werden kann, sondern verlangt eine Profilsetzung. Wer kulturelle Bildung als zusätzliche Aufgabe erwartet, muss bereit sein, hierfür die zusätzlichen Ressourcen bereit zu stellen.
Olaf Zimmermann