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125 Jahre Theatertradition

„Wir sind hier die Fahnenträger der Hochkultur“ sagt Ingolf Huhn, der Intendant des Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz. „Wir machen Theater für die Region, für Annaberg, für Buchholz, für Aue und die Menschen rundum. Das erfordert ein Grundangebot mit Aktuellem, Gängigem und Populärem“, meint er zu seiner Programmfindung.

Dafür erarbeitet Huhn mit dem Ensemble von 78 künstlerischen und insgesamt 150 Mitarbeitern in den beiden Sparten Sprech- und Musiktheater zusammen neun bis zehn große und drei bis vier kleine Produktionen und noch einmal zwei bis drei Neuinszenierungen auf der Freilichtbühne an den Greifensteinen. Hinzu kommen die zehn Abonnementskonzerte der Saison und etwa 25 weitere Konzerte. „Wenn wir dann Ausgrabungen, moderne Erst- oder gar eine Uraufführung darauf setzen, schaffen wir das Besondere, Identitätsstiftende. Wir binden unser Publikum und gewinnen neues. Und die überregionale Aufmerksamkeit – wenn dann vielleicht die Süddeutsche und die FAZ berichten – bringt auch Leute zu uns, die noch nie im Erzgebirge waren“, so Huhn. Der Ruth-Berghaus-Schüler und -Assistent leugnet seine gesellschaftliche Orientierung nicht, die auf ästhetische Verantwortung und Wachheit gegenüber Zumutungen gerichtet ist.

Das Spiel im Theater mit Tanz, Gesang und lebendiger Musik ist in Annaberg fast so alt wie die Stadt selbst. Für die Entwicklung des Schauspiels war seinerzeit die Lateinschule maßgeblich, an der es nachweislich vom 16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts Schulspiele gegeben hat. Später kamen auch die Wanderbühnen in die Stadt. Auf Drängen der Bürgerschaft nach einer festen Spielstätte folgte die Errichtung des ersten Annaberger Theaters in der Innenstadt. Abgelöst wurde dieses Theater durch einen größeren modernen Neubau an der nach Buchholz führenden Straße, der auch den gestiegenen Sicherheitsanforderungen entsprechen konnte. Seine Eröffnung erfolgte 1893 mit Goethes »Egmont«, in der Titelrolle der nachmals berühmte Mime Eduard von Winterstein. Er wurde später zum Namensgeber des Theaters. Es folgten Höhen und Tiefen, jedoch wurde das Theater, bis auf die kriegsbedingte Unterbrechung und den Wiederbeginn schon im Juli 1945, durchgehend bespielt.

Die Stadt Annaberg, und somit auch das Theater, war glücklicherweise vom Krieg nicht zerstört worden. In den siebziger Jahren erforderten notwendig gewordene Umbau-, Erweiterungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen eine längere Pause. Im Jahr 1981 eröffnete das Theater, das seitdem Eduard-von-Winterstein-Theater heißt, so, wie es noch heute zu erleben ist: mit komplett erneuerter Technik auch für größere Musiktheaterproduktionen gerüstet, und zusätzlich mit einer neuen Studiobühne mit 50–60 Plätzen. Die Fassade des bald 125 Jahre alten Theaters strahlt im Charme seiner Errichtungszeit; die Einrichtung atmet die 1970er Jahre.

Der Zuschauerraum mit seinem umlaufenden Rang vor Bühne und Orchestergraben bietet 300 Besuchern Platz. Das Haupthaus des Dreisparten-Theaters – Musiktheater, Schauspiel, Konzert – hat seine Spielsaison von September bis Mai. In den Sommermonaten Juni und Juli geht es dann zur Felsenbühne an den romantischen Greifensteinen, die schon seit 1928 bespielt wird. Als besondere Attraktion für Sommergäste ist die Felsenbühne oft bis an die Auslastungsgrenze von immerhin von 1.200 Plätzen gefüllt.

Das angegliederte Orchester der „Erzgebirgischen Philharmonie Aue“ spielt unter ihrem GMD Naoshi Takahashi auch regelmäßig im Kulturhaus Aue, das 800 Plätze zu füllen hat. Daneben bedient das Theater etliche kleinere Spielplätze „außer Haus“. Damit erreicht das kleine Ensemble ein Publikum von etwa 90.000 Zuschauern – inklusive der Freilichtbühne. Geschafft werden muss das aus einem Jahreshaushalt von 8 Millionen Euro, wobei dieser Etat zu 13 Prozent aus Einspielungen und zu 70 Prozent aus der Kulturraumsubvention finanziert ist. Den Rest steuern flexibel die Städte und der Landkreis Erzgebirge bei, der auch Träger des Theaters ist.

Was wäre zu sagen zu den Fusionsideen mit Freiberg/Döbeln, die immer wieder einmal aus der Regierungsstadt herüberwehen? „Das wird seit 1920 überlegt und immer wieder aufgegeben, meint Huhn, „es funktioniert nicht, da ist der Berg dazwischen...“

Peter Bäumler / Aron Koban

Annaberg um 1650 – Stich von Matthäus Merian Annaberg um 1650 – Stich von Matthäus Merian
Winterstein-Theater, Frontansicht Winterstein-Theater, Frontansicht
Foto: Andreas Praefcke (Wikimedia Commons)

<link http: www.winterstein-theater.de>Eduard-von-Winterstein-Theater

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