Musikalische Bildung ist ein unverzichtbarer Teil der Demokratiestärkung – Ein Statement des Präsidenten des Sächsischen Musikrates
Die deutsche Musikschullandschaft macht für ca. 1,5 Millionen vorwiegend junge Menschen die Wege zu musikalischer Bildung niederschwellig möglich. Sie hat das Potential zum immateriellen Kulturerbe, sie ist ein Schatz, um den unser Land beneidet wird.
Jahrgänge von deutschen Menschen, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts die kaiserlich-humanistischen Gymnasien besucht hatten, waren nicht davor gefeit, in den furchtbaren Katastrophen der beiden Weltkriege ihren moralischen Kompass zu verlieren und wurden schuldhafter Teil eines Zivilisationsbruches unvorstellbaren Ausmaßes mit Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. Die bewundernswerte Antwort auf dieses gesellschaftliche Vakuum war die Verabschiedung der Verfassung der Bundesrepublik. Und dieses wertvolle Gut steht aktuell unter Druck. Wir können unsere Demokratie dort am wirksamsten schützen, wo selbstbestimmt handelnde Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihrer Bildung in der Lage sind, die Freiheit zu verteidigen. Die Freiheit unseres Rechtsstaates mit all den dazugehörigen Privilegien und Pflichten.
Der reine Kompetenzerwerb allein schafft das notwendige Verantwortungsgefühl nicht ausreichend. Auch viele Verfassungsfeinde und Antidemokraten haben ein Abitur abgelegt. Neben dem Wissen muss das Empfinden im freien Spiel des solidarischen Miteinanders trainiert werden. Das Recht auf musische und ethische Bildung wird zu oft marginalisiert und die Folge ist ein gefährlicher Dimensionsschwund. Soziale und politische Bildung, Sprache, Ästhetik, Naturwissenschaften und Philosophie und Religion – das ist der große gut klingende Kanon, der nicht ungestraft reduziert wird. Wir laufen sonst sehenden Auges in einer weiteren Verrohung unserer Gesellschaft.
Momentan schaut die Bundesrepublik auf die sächsische Landeshauptstadt, weil es der Musik- und Kunststadt Dresden nicht gelungen ist, eine destruktive Diskussion um Bildungskürzungen zu vermeiden. Noch im letzten Jahr wurde in der Landeshauptstadt eine neue Schulkonzeption an der kommunalen Musikschule verabschiedet, die einen kräftigen Impuls zur weiteren Stärkung der musikalischen Bildung beschreibt. Dort wie in vielen anderen Städten und Gemeinden stehen nun wesentliche Teile des Bildungsangebotes der Musikschulen in Frage. Es ist zu befürchten, dass bevorstehende Kürzungen gerade die Jüngsten betreffen werden: die »Bogenschützen«, »Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen, – JEKITS«, Jedem Kind seine Stimme – JEKISS und zahlreiche Kooperationen mit Schulen und Kindergärten und ebenso die einzigartige Ensemblearbeit an den Musikschulen. Ca. 300 Kooperationen würden sachsenweit sofort wegfallen.
Hintergrund sind die legitimen Forderungen aller Honorarlehrkräfte an Musikschulen, aufgrund eines Urteils des Bundessozialgerichtes zukünftig sozialversicherungspflichtig angestellt zu werden. Jahrelang hat diese Berufsgruppe die grundständige Lehre an Musikschulen abgesichert, nun laufen diese Kolleginnen und Kollegen Gefahr, entlassen zu werden. Es geht also um nicht weniger als Gerechtigkeit gegenüber allen Honorarlehrkräften, die seit Jahren in Vorleistung gegangen sind. Würden diese Kolleginnen und Kollegen nun allein die große Last der Konsequenzen zu tragen haben, die die Umsetzung des Urteils mit sich bringt, wäre dies moralisch verwerflich und völlig entgegen der Absicht.
Musikalische Bildung ist ein verfassungsmäßiges Recht, keine freiwillige Aufgabe und umfangreiche musische Bildungsangebote stärken die Attraktivität moderner Wirtschaftsstandorte. Die wachsenden antidemokratischen Kräfte in Sachsen haben bundesweit und international bereits zu einem schweren Imageschaden geführt. Kluge bildungspolitische Entscheidungen können dem hilfreich entgegenwirken und sind ein Magnet für dringend benötigte Fachkräfte aus aller Welt. Diese erwarten qualitativ hochwertige musische Bildungsangebote und Einrichtungen. Eine zukunftsgerichtetes Land soll in seinen Städten und Gemeinden ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem sich Menschen zu Hause und geborgen fühlen können, also spüren, dass Lebensqualität mehr ist als materieller Wohlstand.
Der Blick auf die Entscheidung um die Zukunft des Dresdner Heinrich-Schütz-Konservatoriums der Landeshauptstadt gibt sachsenweit entweder ein Beispiel, wie die Rechte vor allem auch der Kinder und Jugendlichen gestärkt werden können, die in den letzten Jahren über Gebühr gelitten haben, oder die Blaupause für vernunftwidrige Reduktion dringend benötigter Bildungsangebote. Lassen Sie uns dieses Thema als eine Herausforderung für die Stärkung der Demokratie im gesamten Freistaat diskutieren, die Kommunen und Gemeinden allein werden das nicht leisten können. Wir sollten an dieser Stelle Sparzwänge nicht als erstes und einziges Argument anführen.
Prof. Milko Kersten
Sächsischer Musikrat e.V., Präsident