Kürzungen im Doppelhaushalt 2025/2026 – Einschränkung des sächsischen Ganztags
Sehr geehrter Herr Kultusminister Clemens,
wir wenden uns als Verbände und Einrichtungen sowie als engagierte Mitgestalterinnen und Mitgestalter der sächsischen Bildungslandschaft mit großer Sorge an Sie. Die Kürzungen der Mittel für Ganztagsangebote (GTA) im Doppelhaushalt 2025/2026 gefährden die Qualität und Zukunftsfähigkeit des Ganztags in Sachsen massiv.
Was passiert nun mit Kindern und Jugendlichen, deren Angebote gekürzt oder gar gestrichen wurden? Wie möchte das Land Sachsen seinen Standard (Bildungsmonitor 2025) halten, wenn die Mittel für einen guten Ganztag / gute Ganztagsangebote gekürzt werden? Die Staatsregierung hat die GTA-Mittel von 45 Millionen Euro (Schuljahr 2023/2024) auf 35 Millionen Euro im Schuljahr 2025/2026 und 33 Millionen Euro im Schuljahr 2026/2027 gesenkt – ein Rückgang um über 25 Prozent. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Ganztagsangeboten, und der gesetzlich verankerte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich ab 2026 rückt näher.
Zusätzlich beobachten wir mit großer Besorgnis:
- die Kürzung von Anrechnungsstunden für GTA-Koordination und Organisation, insbesondere an Schulen mit Schulassistenzen, die ohnehin mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind. Diese Maßnahme führt zu einer Überlastung der Lehrkräfte und gefährdet die Qualität der Angebote. Auch die konstruktive Zusammenarbeit von Schule und Hort sehen wir durch die Kürzung der Stunden massiv gefährdet.
- das Fehlen gezielter Fortbildungsangebote im Bereich GTA im offiziellen Fortbildungskatalog des LaSuB. Pädagogische Fachkräfte sowie Koordinatorinnen und Koordinatoren benötigen dringend Qualifizierungsmaßnahmen, um den Ganztag professionell und innovativ weiterzuentwickeln.
- die bisher nicht erkennbare Landesstrategie zur Umsetzung zur qualitativ hochwertigen Weiterentwicklung des Ganztags.
Obwohl diese und viele weitere Punkte bereits von der letzten Koalition nach ausführlicher Aussprache beschlossen worden sind (Drs 7/8363), ist die aktuelle Koalition mit massiven Kürzungen im Ganztagsbereich gestartet. Diese Kürzungen treffen nicht nur die Schulen, sondern vor allem die Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Sie gefährden:
- Schulclubs, Arbeitsgemeinschaften und Projekte zur Demokratiebildung,
- Angebote im Bereich kultureller und politischer Bildung, Medienbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung,
- differenzierte, unterrichtsergänzende Förder- und Forderangebote für Kinder mit besonderen Herausforderungen, ob nun mit spezifischen Begabungen oder in verschiedenen Förderbereichen
- die Beschäftigung qualifizierter Fachkräfte in stabilen Arbeitsverhältnissen,
- und nicht zuletzt die Chancengerechtigkeit und Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler – unabhängig von Herkunft und sozialem Hintergrund.
Die Schülerpauschale liegt an Grundschulen derzeit bei 52,16 Euro pro Jahr (im letzten Jahr knapp 87 Euro) – das sind 0,58 Euro pro Grundschulkind und Angebot. Von diesem Geld sollen an drei Tagen in der Woche Ganztagsangebote während der rund 30 Schulwochen vorgehalten werden, die laut Schulleitungsbrief vom 9. Juli 2025 vor allem der gezielten Förderung individueller Lernbedürfnisse dienen sollen – vom Aufholen von Lernrückständen bis zur Begabtenförderung. Im Klartext: Für eine Gruppe von 22 Kindern in einem Ganztagsangebot in der Grundschule steht mit 12,71 Euro weniger als der Mindestlohn von 12,82 Euro zur Verfügung. Im kommenden Schuljahr soll dann der Rechtsanspruch auf fünf Ganztagsangebote in der Woche mit noch weniger Geld umgesetzt werden. Das ist schlicht nicht möglich!
Aus unserer Sicht ist der Ganztag ein wesentlicher Baustein einer modernen Bildung. Völlig zu Recht bekennt sich Sachsen im Rahmen seiner Pläne zum Bildungsland 2030 zum Ganztag. Er bietet Raum für Persönlichkeitsentwicklung, soziales Lernen, kreative Entfaltung und individuelle Förderung – gerade auch für Kinder, die im regulären Unterricht nicht immer gesehen werden.
Wir fordern Sie daher eindringlich auf:
- die bisherigen Kürzungen im Doppelhaushalt 2025/2026 für das kommende Schuljahr zurückzunehmen,
- die Mittel für GTA im Rahmen des Rechtsanspruchs 2026 weiter zu erhöhen und dabei den Inflationsausgleich zu berücksichtigen,
- die Anrechnungsstunden für GTA-Koordination zu sichern und auszubauen,
- gezielte Fort- und Weiterbildungsangebote im GTA-Bereich im Fortbildungskatalog des LaSuB zu verankern sowie ein landesweites Konzept für Fachkräfte der Schulen mit Primarstufe und Horte zu erarbeiten,
- in Absprache mit Gemeinden kommunale und regionale Qualitätszirkel als Steuerungselemente für die Umsetzung eines guten Ganztags in Sachsen einzurichten und finanziell zu unterstützen.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Sachsen auch in Zukunft für eine vielfältige, chancengerechte und zukunftsorientierte Bildungslandschaft steht. Der Ganztag ist ein Schlüssel dazu. Über ein persönliches Gespräch mit Ihnen würden wir uns sehr freuen, um diese Themen im direkten Austausch zu vertiefen.
Ganztagsschulverband e.V. LV Sachsen
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen
Sächsischer Lehrerverband im VBE