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Musikgeschichte quicklebendig

400 Briefe, die die Freundschaft zwischen Clara Schumann mit Ihrem einstigen Klavierschüler Ernst Rudorff dokumentieren, sind im Besitz der Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

Aus den Briefen erfahren wir vieles aus der deutschen Musikgeschichte, aber auch Privates und Persönliches, so schrieb Clara im März 1862 aus Paris: »Es ist eine eigene Sache, schätzt man auch im Grunde des Herzens Publicum gering, so bedarf man dessen Theilnahme im Concertsaale doch, es regt augenblicklich an und erhöht die Leistungen.« Diese und weitere Zeugnisse aus der Zeit des 19. Jahrhunderts gewähren Einblicke in die Musikwelt Europas zwischen 1858 und 1896 und sind von unschätzbarem Wert.

Fast wäre die wertvolle Korrespondenz in London an private Sammler/-innen versteigert worden. Die Erben von Ernst Rudorff, ehemals Klavierschüler von Clara Schumann, hatten ursprünglich geplant, die Briefsammlung meistbietend zu verkaufen. »Zum Glück haben wir das rechtzeitig vom Auktionshaus Sotherby’s erfahren und konnten die Sammlung als national wertvolles Kulturgut anerkennen lassen. Das hat den Verkauf ins Ausland verhindert«, erklärt Dr. Achim Bonte, Generaldirektor der SLUB, und fügt hinzu: »Es war nicht leicht, den geforderten Preis, eine namhafte sechsstellige Summe aufzubringen«. Das gelang nur mit der Unterstützung des Bundes, der Kulturstiftung der Länder und der Mariann Steegmann Foundation. Und es hat sich gelohnt: Ab heute steht der digitalisierte Briefwechsel Interessentinnen und Interessenten aus aller Welt zur Verfügung.

Die Briefe zeichnen ein Bild des damaligen Konzertbetriebs, zeigen alltägliche Sorgen und Nöte. Clara und Ernst tauschen sich über praktische Dinge wie Konzertorte und Programme aus. Auch die Behandlung des Flügels wird nicht dem Zufall überlassen: »Ich brauche vorsichtige Männer, die das Klavier gut auspacken, einen guten Stimmer und den Schlüssel zum Klavier übergib dem Wirt«, schreibt die besorgte Pianistin an Rudorff. Ernst Rudorff, 1840 geboren, lehrte als Professor für Klavier und Orgel in Berlin und dirigierte u.a. Konzerte des Berliner Philharmonischen Orchesters, den späteren Berliner Philharmonikern. In ihm sah Clara einen wichtigen Berater in musikalischen Fragen. Nach dem Tod ihres Mannes half er ihr bei der Herausgabe des Nachlasses von Robert Schumann. Rudorff wiederum beriet sich darüber mit seinem Freund Johannes Brahms. Aus dieser Korrespondenz blieben 16 Briefe erhalten.

Clara Schumann hat die Herausforderungen als europaweit gefragte Pianistin gemeistert, war gleichzeitig Botschafterin der Werke ihres verstorbenen Mannes und Mutter von sieben Kindern. Ernst Rudorff hat seine einstige Lehrerin nach Kräften unterstützt, war Ratgeber und Vertrauter. Das letzte Telegramm erreicht ihn im April 1896, wenige Wochen vor Claras Tod. Sichtlich geschwächt, unterschreibt sie nur noch mit: »Schumann«.

Es ist ein großes Glück für die Musikgeschichte, dass diese Korrespondenz, die 40 Jahre deutscher Musikgeschichte dokumentiert, nicht in die Anonymität eines privaten Tresors entschwindet, sondern der Öffentlichkeit zugänglich bleibt.

Christina Schimmer

 

 

Clara Schumanns letzte Notiz
Foto: © Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

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