Seit 110 Jahren gibt es ihn, diesen Tag, an dem besonders auf die Gleichberechtigung der Geschlechter hingewiesen wird. Seitdem hat sich einiges bewegt und zum Positiven verändert. Dennoch sind Frauen in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert ...
Wie sieht das beim Sächsischen Musikrat aus? Dort ist die Weiblichkeit mit insgesamt fünf Mitarbeiterinnen und einer Bundesfreiwilligen stark vertreten, eine von ihnen, Lena Thalheim, leitet seit zwei Jahren die Landesmusikakademie. Christina Schimmer, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Sächsischen Musikrats, hat sie zu ihrer Arbeit befragt.
Du warst 28 Jahre alt, als du die Stelle als Akademieleiterin angenommen hast. Wie war dein Start?
Das war für mich gleichermaßen überfordernd wie fördernd. Das Präsidium hat in dem Moment ein Potential in mir gesehen, das ich damals noch nicht in mir gesehen habe. Doch es vergeht kein einziger Tag, an dem ich mich nicht über meinen großartigen Arbeitsplatz, meine Kolleginnen und Kollegen und meine vielseitigen Aufgaben freue. An jeder neuen Herausforderung bin ich gewachsen und lerne weiterhin viel Neues.
Was waren deine Hauptaufgaben im ersten Jahr? Gab es einen typischen Tagesablauf?
Mein Tag besteht im Großen und Ganzen aus E-Mail-Korrespondenzen und Telefonaten und dem einen oder anderen kleinen Meeting. Inhaltlich plane ich neue Projekte, Wettbewerbe oder andere Veranstaltungsformate, stehe in engem Kontakt zu den Landesensembles sowie zu meinen Nachbarn im Schloss Colditz und koordiniere große Ensembles im Haus. Die Jugendherberge im Schloss ist unser wichtigster Kooperationspartner und eine meiner wichtigsten Aufgaben ist es, für einen reibungslosen Ablauf der gemeinsamen Buchungen zu sorgen. Darin werde ich maßgeblich von meiner Kollegin Sylke Friedrich unterstützt. Wir zwei teilen uns dann auch den schönsten Aspekt unserer Arbeit, nämlich die persönliche Betreuung unserer Gäste. Und davor und danach genieße ich auf dem Weg von und nach Leipzig das schöne Muldental.
Arbeitest du momentan überwiegend von zuhause aus?
Ich hätte von Anfang an im Homeoffice arbeiten können, habe mich aber nicht wirklich von der Akademie und von meinen Kollegen losreißen können. Inzwischen geht das ohne Probleme, weil ich mich daran gewöhnt habe. Dennoch arbeite ich weiterhin am liebsten, wenn ich nicht alleine im Büro sitze. Auch sind meine Aufgaben gewachsen, da ich mir neue Projekte erschlossen habe und stetig versucht bin, die Akademie an die Bedürfnisse unserer Gäste anzupassen.
Welche neuen Projekte sind das?
Im Moment arbeite ich vor allem an »Stille Orte«. So heißt ein Ergebnis unserer Spendenprogramme, bei denen wir Mitglieder des Sächsischen Musikrates aufgerufen haben, uns ein Video zur ihrer aktuellen Lage zuzusenden. Finanziert wurde das aus Spenden von Musikliebhaber/-innen aus und um Sachsen. Unabhängig von Corona aber natürlich stark dadurch geprägt betreue ich noch einen Kurs für Jazz und Improvisation, einen Meisterkurs für Horn und – auch gerade sehr aktuell – bereite ich den Sächsischen Chorwettbewerb im Rahmen der Deutsch-Tschechischen Chorwelten 2022 vor. Da beginnt im Mai die Ausschreibung und bis dahin ist noch viel zu tun.
Welche konkreten Auswirkungen hat die Pandemie auf die Belegungen in der Landesmusikakademie?
Coronabedingt haben sich unsere Belegungen geändert. Statt großer Chöre bis hin zu 180 Choristen oder 80-köpfige Sinfonieorchester klingen nun Tonaufnahmen von Solisten und kleinen Ensembles durch das Haus. Da ist der Betreuungsaufwand geringer, weshalb ich jetzt verstärkt meine Kolleg/-innen im Sächsischen Musikrat bei ihrer Arbeit unterstütze. Im Moment gehe ich ganz in der Verbandsarbeit auf und freue mich darüber, neues Feedback zu unserer Arbeit in der Akademie zu bekommen, während ich »Stille Orte« zum Klingen bringe. So bleibe ich mit unseren Gästen in Kontakt und kann die Akademie noch besser mit den Bedürfnissen sächsischer Musiker/-innen während und nach der Pandemie in Einklang bringen.
Wie fühlt sich das an, als junge Frau in dieser Position zu sein?
Ich habe bislang nie mit Personen zu tun gehabt, die mir Dinge nicht zugetraut haben oder meine Ideen aus Routine verurteilt haben. Auch genieße ich seit Anfang an sehr große Unterstützung durch den Sächsischen Musikrat und alle anderen Personen in meinem Arbeitsnetzwerk. Hier wurde mein Alter immer als Chance gesehen und sehr viel Wert auf meine Meinung als Teil einer anderen Generation gelegt.
Was ist das Schönste an deinem Beruf?
Da gibt es viele kleine Aspekte, die ich genieße. Wenn Chöre ihre Weihnachtsproben ab September in der Akademie durchführen, singen wir manchmal auf der Empore mit. Viele Ensembles spielen auch aus Dank gegenüber der Jugendherberge und uns am Ende ihres Aufenthaltes ein kleines Konzert für uns. Das sind jedes Mal ganz besondere Momente, in denen wir nicht nur hören können, wie sich die Leistung der Musiker/-innen während der Proben entwickelt hat, sondern auch wie sich Ensemble von Jahr zu Jahr entwickeln.
Ich erinnere mich auch an einen Tag, an dem ich richtig schlecht drauf war und plötzlich hörte ich, wie jemand im Probenraum über dem Büro ein Stück gespielt hat, was mir emotional viel bedeutet hat. Dann habe ich mich oben vor die Tür des Probenraumes gesetzt und war absolut seelig. Also muss wohl die Musik das Schönste an meinem Beruf sein, und das Geschenk, Kinder und Erwachsene ein kleines Bisschen auf ihrem musikalischen Weg zu begleiten.
Jetzt, wenn niemand im Haus ist, lausche ich den Turmfalken und freue mich, am Abend auf dem Heimweg das hell erleuchtete Schloss vor dem dunkelblauen Himmel zu sehen. Das Schloss wurde 1504 durch ein Feuer verwüstet und erstrahlt heute als wäre nie etwas passiert. Ich hoffe, dass sich auch die Kultur in absehbarer Zeit von der aktuellen Situation erholt.