Musikschule in besonderen Zeiten – auf dem Weg zu alternativen Unterrichtsformaten
Derzeit ist in der öffentlichen Wahrnehmung der Fokus vorrangig auf professionelle Musikern/-innen gerichtet, deren Konzerte und damit Honorare über Wochen und Monate ausfallen. Betroffen sind jedoch nicht nur sie. Auch für den Nachwuchs an den Musikschulen ist nun Vieles anders. Alle Beteiligten stehen gleichermaßen vor den Herausforderungen, die der Wegfall des gewohnten wöchentlichen Unterrichts mit sich bringt. Die allermeisten Musikschulen versuchen, auch in dieser Situation weiterhin ihrem pädagogischen Auftrag gerecht zu werden. Es gilt einerseits, die Schüler/-innen im Arbeitsprozess zu halten und damit zu fördern und andererseits, durch Fortsetzung des Unterrichts – nun in alternativen Formen – Kontinuität zu erzeugen, um somit der Gefahr von Abmeldungen zu begegnen.
Doch der Schritt vom Präsenzunterricht zum digitalen (Fern-)Unterricht ist weder selbstverständlich noch einfach. Einzelne Lehrer/-innen sind mit den technischen Möglichkeiten nicht vertraut und auch der Netzausbau auf dem Land ist alles andere als flächendeckend oder vorhandene Verbindungen sind nicht stabil. Und ganz sicher verfügt nicht jede Familie über genügend technische Geräte, um ihren Kindern die Teilnahme am digitalen Unterricht – gar parallel zum Homeoffice der Eltern – zu ermöglichen.
Wie können Musikschüler/-innen und Lehrkräfte dennoch in Kontakt bleiben, um den Fortschritt beim Üben weiterhin zu begleiten – um Inhalte, Perspektiven, Struktur und neue Ziele zu vermitteln? Dazu bedienen sich zahlreiche Musikschulen digitaler Hilfsmittel für den direkten Hör- und Sichtkontakt wie Skype oder Zoom. Aber auch der Versand von Audiodateien und Soundfiles zwischen Musikschüler/-innen und Lehrkräften zum Beurteilen, Auswerten und Hinweisgeben, ist eine Möglichkeit. Manche nutzen die Zeit, um mehr Musiktheorie, in Form von Arbeitsblättern, zu vermitteln. Aber auch das gute alte Festnetztelefon hilft bei der Kommunikation. Die Palette ist groß und die Möglichkeiten individuell. Viele lernen bereits, engmaschiger und strukturierter zu arbeiten. Auch wenn sich Präsenzunterricht damit nicht ersetzen lässt, ist Einiges von dem mehr, als ein »besser als nichts«. Wie sieht nun der Weg zur digitalen Musikschule in konkreten Zahlen aus?
Zu diesem Thema führte Christina Schimmer, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Sächsischen Musikrats, ein Gespräch mit dem Leiter der Kreismusikschule Dreiländereck Sven Rössel. Seine Schule verfügt über neun Standorte ganz im Osten Sachsens von Niesky bis Seifhennersdorf und ist bemüht, ihre Schüler/-innen möglichst überall zu erreichen.
Christina Schimmer: An Ihrer Musikschule lernen rund 3.200 Schülerinnen und Schüler. Wie viele davon werden digital unterrichtet?
Sven Rössel: Konnten zu Beginn nur etwa 25% der Schülerinnen und Schüler digital unterrichtet werden, sind es jetzt [Anm. d. Red.: Stand 14.04.2020] mindestens 68% – das sind ca. 2.100 Schüler pro Woche. Damit haben wir mein persönliches Ziel, 50% des Unterrichts weiterführen zu können, weit übertroffen.
Wie ist denn die Stimmung bei den Lehrkräften?
Ich kann sogar fast von einem Innovationsschub sprechen – Alle versuchen möglich zu machen, was möglich ist. Auch Kollegen, die sich sonst eher als technikfern beschreiben, nutzen die digitalen Unterrichtsmethoden. Und die Eltern sind froh, dass es weitergeht.
Wie setzen Sie das technisch um?
An unserer Kreismusikschule gibt es neun Standorte. Wir haben zusammen mit dem Datenschutzbeauftragten über die Technik entschieden und Lizenzen für »Zoom« erworben. Ich habe einige Arbeitsplätze mit Webcams ausgestattet für Kolleg/-innen, die zu Hause keine entsprechenden technischen Möglichkeiten haben. Man muss auch bedenken, dass in den Musikschulen und bei den Eltern der Netzausbau nicht flächendeckend gegeben ist.
Hat sich schon eine Unterrichtsroutine eingestellt?
Man kann schon sagen, dass sich die Abläufe jetzt nach vier Wochen eingespielt haben. Die Schülerinnen und Schüler, gerade auch die Jüngeren, sind sehr motiviert und konzentriert. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich feststellen: Wenn das Unterrichtszeitfenster beginnt, ist jetzt der Kontrabass schon ausgepackt und spielbereit. Es kann sofort losgehen. Man arbeitet sehr effektiv.
So können wir die Krise auch als Chance sehen und uns für die Zeit danach eine Offenheit und Solidarität bewahren.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute!